Kann aus einem deutschen Markenrecht der Besitz von Waren außerhalb Deutschlands verboten werden?

Mit dieser Frage wird sich der Europäische Gerichtshof im Anschluss an ein Vorabentscheidungsersuchen des deutschen Bundesgerichtshofs (Urteil vom 23. Januar 2024 in der Rechtssache I ZR 205/22) befassen müssen. Die Fragen, die der Gerichtshof im Einzelnen zu beantworten hat, sind:

  1. Kann es der Inhaber einer nationalen Marke gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 verbieten lassen, dass eine Person im Ausland markenverletzende Ware zu dem Zweck besitzt, die Ware im Schutzland anzubieten oder in den Verkehr zu bringen?
  2. Kommt es für den Begriff des Besitzes im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2436 auf eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf markenverletzende Ware an oder reicht die Möglichkeit aus, auf denjenigen einwirken zu können, der den tatsächlichen Zugriff auf diese Ware hat?

Der BGH hat den Fall nach einer Rechtsbeschwerde dem EuGH vorgelegt. Es geht hier um folgenden Sachverhalt:

Die Beklagte, eine in Spanien ansässiger Online-Händlerin, bot in mehreren EU-Mitgliedstaaten, darunter auch in Deutschland, Tauchausrüstungen zum Kauf an. Die Waren wurden unter Verwendung der deutschen Wort-/Bildmarken „ED“ und „EXTREME DURABLE“ („EXTREME DURABLE-Marken“) des Klägers beworben. Die Klägerin gab eine Testbestellung für das Produkt nach Deutschland auf. Das Produkt, das in Deutschland ankam, trug nicht die EXTREME DURABLE-Marken, aber es ist zwischen den Parteien unstrittig, dass die Beklagte auch Produkt, die mit den EXTREME DURABLE-Marken gekennzeichnet waren, in Spanien gelagert hatte.

Bereits in erster Instanz hatte sich die Beklagte bereit erklärt, es zu unterlassen, Produkte mit der EXTREME DURABLE-Marke zu bewerben und anzubieten. Weitergehende Ansprüche wurden abgewiesen.

In zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Nürnberg wurde die Beklagte ebenfalls verurteilt, es zu unterlassen, Waren mit der EXTREME DURABLE-Marke zu vertreiben und zu diesen Zwecken zu besitzen. Nach Ansicht des Gerichts begründet das Bewerben und Anbieten dieser Produkte auch die Gefahr einer erneuten Verletzung durch den Vertrieb und Besitz markenverletzender Produkte.

Während dies für den Vertrieb markenverletzender Produkte nicht überraschend sein mag, kann das Ergebnis für den Besitz dieser Produkte außerhalb Deutschlands fragwürdig sein.

Für das Oberlandesgericht Nürnberg war der Besitz der Produkte zum Zwecke des Anbietens und Vertreibens in Deutschland eine typische Vorbereitungshandlung, die auch aufgrund der deutschen Marke zu untersagen war, gleichgültig, wo sie stattfand (Urteil vom 29. November 2022, Az. 3 U 493/22). Entscheidend sei nur, dass der Zweck der Handlung, nämlich das Anbieten oder Vertreiben der markenverletzenden Produkte in Deutschland, entweder bereits geschehen sei oder unmittelbar bevorstehe. Die weitere Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen.

Der BGH sah sich veranlasst, den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens dazu zu befragen, ob die Beklagte rechtmäßig verurteilt werden kann, es zu unterlassen, mit der Marke EXTREME DURABLE versehene Waren (in Spanien) zu besitzen, um sie in Deutschland anzubieten und zu vertreiben. Der Begriff „besitzen“ entstammt der Markenrechtsrichtlinie (EU) 2015/2436. Er ist daher eigenständig auszulegen. Entscheidungen des EuGH zur Auslegung des Begriffs „Besitz“ im Rahmen von Markenverletzungen fehlten bislang. Etwas berührt wurde die Thematik bereits im Bereich des Urheberrechts, wo sich der EuGH mit der Frage beschäftigte, ob die Verbreitung von Kopien aus dem Ausland das Verbreitungsrecht des Urhebers im Schutzland verletzt (Entscheidung des EuGH vom 21. Juni 2012 in der Rechtssache C-5/11 – Donner).

Im Markenrecht könnte einerseits der Grundsatz der Territorialität der Schutzrechte eine Auslegung des Begriffs verbieten, die auch den Besitz der Waren in Spanien (wo die deutsche Marke nicht geschützt ist) erfassen würde. Andererseits könnte es auch sein, dass es ausreicht, wenn der Besitz der Waren im Ausland erfolgt, wenn der Zweck darin besteht, die Waren in Deutschland anzubieten und zu vertreiben. Entscheidend könnte auch die rechtliche Bedeutung des Begriffs „Besitzen“ sein. In einigen Mitgliedstaaten kann der Begriff auch den mittelbaren Besitz umfassen, d.h. Fälle, in denen die markenverletzenden Waren nicht direkt, sondern indirekt über andere, die tatsächlichen Zugang zu den Waren haben, besessen werden. Es ist jedoch zweifelhaft, ob eine solche Auslegung im EU-Kontext akzeptabel ist, da der Begriff in den meisten anderen Sprachversionen des Markenrechtsrichtlinie eher im Sinne von „Vorratshaltung“ übersetzt wird.

Ich persönlich frage mich, wie eine Entscheidung, mit der dem Beklagten aufgegeben wird, es zu unterlassen, markenverletzende Produkte zu besitzen, um sie in Deutschland anzubieten / zu vertreiben, im Ausland durchgesetzt werden soll. Wie werden diese Produkte von anderen Produkten unterschieden, die für den Verkauf in anderen Ländern bestimmt sind und bei denen der Besitz daher nicht rechtswidrig ist?

Es bleibt spannend, wie der EuGH entscheiden wird.

Dieser Beitrag wurde zuerst in englischer Sprache im Kluwer Trademark Blog veröffentlicht.