Parallelimport von Medizinprodukten – Pflicht zur Übersendung eines Musters?
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte darüber zu entscheiden, ob ein Parallelimporteur von Medizinprodukten dem Markeninhaber auf sein Verlangen ein Muster der veränderten Verpackung zur Verfügung zu stellen hat. In seiner ausführlichen Entscheidung vom 12. April 2016 in Sachen I-20 U 48/15 hielt das Gericht fest, dass Medizinprodukte eher mit Arzneimitteln als mit Lebensmitteln oder Getränken vergleichbar seien und gab dem Markeninhaber das Recht, ein Muster zu verlangen.
Die Klägerin ist Inhaberin einer Unionsmarke für medizinische Pflaster, Kompressen und Verbände („Markeninhaberin“). Die Beklagte kaufte mit dieser Marke gekennzeichnete Kompressen und Verbände von der Markeninhaberin und brachte diese in Deutschland auf den Markt („Parallelimporteurin“). Sie brachte auf der Produktverpackung ein zusätzliches Etikett auf, auf dem der Name ihres Unternehmens als „Importeur BRD“ sowie ihre Adresse und der neue PZN(Pharmazentralnummer)-Code angegeben waren. Ursprünglich hatte sie die Markeninhaberin über den Vertrieb dieser Produkte in Deutschland nicht in Kenntnis gesetzt.
Mit ihrer Klage verlangt die Markeninhaberin insbesondere, dass es die Parallelimporteurin unterlässt, mit ihrer Unionsmarke gekennzeichnete Waren in Deutschland auf den Markt zu bringen, ohne sie zuvor zu informieren und ihr auf ihr Verlangen ein Muster dieser Waren zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus fordert sie Information, Zahlung von Schadenersatz sowie Rückruf und Vernichtung der Produkte.
Das Landgericht Düsseldorf hatte weitestgehend zugunsten der Markeninhaberin entschieden. Es führte aus, dass sich die Parallelimporteurin nicht auf eine Erschöpfung der Unionsmarkenrechte berufen kann, da sie die Markeninhaberin nicht über den Vertrieb der veränderten Produkte in Deutschland informiert hat und ihr auch nicht die Möglichkeit gab, ein Muster der Produkte zu verlangen. Das Gericht gewährte ebenfalls die Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung und berief sich darauf, dass diese Ansprüche nur unter außergewöhnlichen Umständen unverhältnismäßig waren.
Die Parallelimporteurin legte Berufung gegen die Entscheidung ein. Im Anschluss, im August 2015, informierte sie die Markeninhaberin über den Parallelimport der meisten streitgegenständlichen Produkte. In Reaktion hierauf hat die Markeninhaberin bis zur Entscheidung keine Vorlage von Mustern verlangt.
Die Markeninhaberin folgte in der mündlichen Verhandlung nicht der Empfehlung des Oberlandesgerichts die Unterlassungsansprüche für die Produkte, über deren Vertrieb sie zwischenzeitlich informiert worden war, für erledigt zu erklären. Das Gericht hatte daher noch über diese Ansprüche zu entscheiden und wies die in die Zukunft gerichteten Unterlassungsansprüche aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Information zurück. Das Gericht war jedoch auch der Auffassung, dass die Markeninhaberin grundsätzlich ein Recht hatte, von der Parallelimporteurin ein Muster anzufordern. Es differenzierte hierbei zwischen dem Parallelimport von sterilen Medizinprodukten und dem von alkoholischen Getränken, für die der EuGH eine Verpflichtung für den Parallelimporteur zur Übersendung eines Musters verweigert hatte (Loendersloot / Ballantine). Es war der Auffassung, dass Medizinprodukte eher mit Arzneimitteln vergleichbar seien und stellte dabei insbesondere auf die gesetzlichen Anforderungen für die Vermarktung von Medizinprodukten, insbesondere die CE-Konformitätserklärung, ab. Diese gesetzlichen Anforderungen für die Vermarktung von Medizinprodukten würden es rechtfertigen, dem Parallelimporteur die Verpflichtung aufzuerlegen, auf Verlangen des Markeninhabers ein Muster zu übersenden. In diesem Fall jedoch hat der Markeninhaber ein Muster nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach der Information über den Parallelimport im August 2015 verlangt und ist daher nun auch mit einem derartigen Verlangen ausgeschlossen. Die Markeninhaberin hatte ihre Unterlassungsansprüche auch nur auf das Verbot der Vermarktung dieser Produkte Information und die Übersendung eines Musters auf Verlangen der Markeninhaberin gerichtet und nicht auf das Verbot der Vermarktung dieser Produkte als solches. Diese Ansprüche waren jedoch nach der Information im August 2015 und innerhalb angemessener Zeit hierauf nicht erfolgtem Verlangen nach einem Muster nicht mehr gegeben.
Das Gericht hob die Entscheidung auch mit Bezug den Rückruf und die Vernichtung der Produkte auf. Die von der Parallelimporteurin nach der Vertriebsanzeige in Verkehr gebrachten Produkte müssten nicht zurückgerufen und vernichtet werden. Auch seien die Erzeugnisse aus anderen Gründen nicht zu beanstanden: Weder sei der zusätzliche Aufkleber auf den Produktverpackungen unsauber noch sei sein Inhalt irreführend. Auch die Kennzeichnung mit dem deutschen PZN-Code der Parallelimporteurin sei nicht rechtswidrig, da dieser Code für Logistik- und wahrscheinlich auch für Abrechnungszwecke erforderlich sei.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen und auch bereits eingelegt (Aktenzeichen beim BGH: I ZR 98/16). Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren zunächst ausgesetzt und EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. In seiner Entscheidung vom 17. Mai 2018 in der Rechtssache C‑642/16 hat der EuGH wie folgt entschieden:
Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unions]marke ist dahin auszulegen, dass sich der Inhaber einer Marke dem weiteren Vertrieb eines Medizinprodukts in seiner inneren und äußeren Originalverpackung durch einen Parallelimporteur nicht widersetzen kann, wenn vom Importeur ein zusätzlicher Aufkleber wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende angebracht wurde, der aufgrund seines Inhalts, seiner Funktion, seiner Größe, seiner Aufmachung und seiner Platzierung keine Gefahr für die Herkunftsgarantie des mit der Marke versehenen Medizinprodukts darstellt.
Die abschließende Entscheidung des BGH steht nun noch aus, wird sich aber an dieser Vorgabe des EuGH zu orientieren haben.