Amazon hat ein Produkt wegen angeblicher Designrechtsverletzung gesperrt – was nun?
Wenn Amazon plötzlich ein Produkt aus Ihrem Sortiment entfernt und sich auf eine angebliche Verletzung von Designrechten (Geschmacksmustern) beruft, ist das für viele Händler nicht nur ärgerlich, sondern oft auch geschäftsschädigend. Zwar bleibt das Verkäuferkonto in der Regel aktiv – doch betroffene ASINs können nicht mehr verkauft werden, was direkt zu Umsatzverlusten und Reputationsschäden führen kann. Kommt dies zudem wiederholt vor, kann dies auch zu einer Sperrung des Verkäuferkontos durch Amazon kommen.
In meiner anwaltlichen Praxis sehe ich häufig Fälle, in denen die Sperrung auf eingetragene Designrechte gestützt werden, die bei genauerer Betrachtung entweder löschungsreif sind oder in deren Schutzbereich die beanstandete Ware gar nicht fällt.
Zu beachten ist hier auch, dass das Designrecht / Geschmacksmusterrecht in den meisten ein so genanntes ungeprüftes Schutzrecht ist. Dies bedeutet, dass die materiellen Schutzvoraussetzungen wie Neuheit und Eigenart gerade nicht von den jeweiligen Ämtern geprüft werden.
Im Folgenden erhalten Sie erste rechtliche Hinweise, wie Sie im Falle einer Artikel-Sperrung richtig reagieren.
1. Ruhe bewahren – und strukturiert vorgehen
Auch wenn die Sperrung eines einzelnen Artikels weniger dramatisch erscheint als eine Kontosperrung: Unkoordinierte Schnellschüsse können später problematisch werden. Wichtig ist es, systematisch vorzugehen:
• Speichern Sie die Mitteilung von Amazon und sämtliche zugehörigen Dokumente
• Notieren Sie, welche ASIN betroffen ist
2. Verstehen, was Amazon Ihnen konkret vorwirft
Amazon handelt meist nach einer Meldung durch einen Dritten – in diesem Fall vermutlich den Inhaber eines eingetragenen Designs (Geschmacksmusters). Der Vorwurf lautet dann, Ihr Produkt verletze dieses Schutzrecht. Achten Sie auf folgende Informationen in der Mitteilung von Amazon:
• Die Nummer des angeblich verletzten Designs (z. B. EU-Designnummer)
• Den Namen des Rechteinhabers bzw. Beschwerdeführers
• Den genauen Text der Beanstandung (sofern angegeben)
3. Prüfung der Rechtslage durch einen spezialisierten Anwalt
Eine Designrechtsverletzung liegt nicht schon dann vor, wenn zwei Produkte „ähnlich aussehen“. Es kommt vielmehr auf die genaue Gestaltung, Schutzumfang und insbesondere darauf an, ob das Design / das Geschmacksmuster zu Recht eingetragen wurde. Ich prüfe für meine Mandanten insbesondere:
• Ist das Design rechtlich wirksam und durchsetzbar?
• Ist Ihr Produkt wirklich ähnlich – oder bestehen relevante Unterschiede?
• Haben Sie eigene ältere Rechte an dem Produkt oder wurde womöglich Ihr Recht unzulässigerweise von einem Dritten angemeldet?
Abhängig von dem Ergebnis der Prüfung stehen dann verschiedene rechtliche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
4. Rechtsmittel bei Amazon – gezielt nutzen
Auch ohne Rücknahme durch den Beschwerdeführer kann Amazon auf der Grundlage eines überzeugenden „Appeals“ (Widerspruch) das Produkt wieder freigeben. Dieser sollte insbesondere enthalten:
• Eine rechtliche Bewertung der Vorwürfe
• Eine Darstellung der Unterschiede zum geschützten Design
• Einwände gegen die rechtsgültige Eintragung des Designs
Ein juristisch fundierter Widerspruch erhöht die Erfolgschancen deutlich, auch wenn Amazon in juristisch nicht eindeutigen Fällen auf andere Wege verweisen wird.
5. Kontaktaufnahme mit dem Rechteinhaber – nur manchmal erfolgsversprechend
Amazon weist in vielen Fällen darauf hin, dass eine Rücknahme der Beschwerde durch den Rechteinhaber zur Wiedereinstellung des Artikels führen kann.
Gibt die Rechtslage dies her, kann man den Beschwerdeführer wegen rechtswidrigem Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Anspruch nehmen und zur Rücknahme der Beschwerde auffordern sowie Schadensersatz fordern. Dies kann immer dann erfolgsversprechend sein, wenn die Beschwerde sich auf ein in der EU ansässiges Unternehmen zurückführen lässt. Bei einer Beschwerdeführerin, die nicht in der EU ansässig ist, wird es häufig schwieriger. Nach eigenen Erfahrungen wird dort häufig auf eine Abmahnung nicht reagiert, so dass nur ein gerichtliches Vorgehen oder die Einleitung eines Löschungsverfahrens gegen die geltend gemachten Designrechte bleibt.
6. Ansonsten: Löschungsverfahren vor den jeweiligen Ämtern
Lässt sich weder durch ein Vorgehen gegen die Löschung bei Amazon, noch durch eine Abmahnung oder ein Gerichtsverfahren gegen den Beschwerdeführer in einem zeitlich überschaubarem mit akzeptablen Kosten eine Rücknahme der Löschung erlangen, kommt ggf. ein Löschungsverfahren gegen die geltend gemachten Designrechte bei den Ämtern in Betracht. Die Kosten hierfür wurden beim EUIPO gerade noch einmal etwas gesenkt (auf € 320). Ab Juli 2026 soll es zudem noch ein Fast-Track-Löschungsverfahren beim EUIPO geben. Die genaue Ausgestaltung ist jedoch gegenwärtig noch offen.
Fazit: Auch bei einzelnen ASIN-Sperrungen professionell reagieren
Selbst wenn nur ein einzelnes Produkt betroffen ist: Eine Designrechts-Beanstandung kann schnell weitere Artikel betreffen – oder sogar zum Ausschluss von Amazon führen, wenn falsch oder zu spät reagiert wird. Mit rechtlichem Beistand lassen sich viele Sperrungen erfolgreich aufheben.
Sie sind betroffen?
Ich unterstütze Sie kurzfristig bei der Prüfung, Bewertung und Verteidigung gegen unberechtigte Designrechts-Vorwürfe – sowie bei der professionellen Kommunikation mit Amazon und Rechteinhabern.
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