EuGH-Urteil zur Zuständigkeit in Gemeinschaftsgeschmacksmuster-streitigkeiten
In seiner Entscheidung vom 13. Juli 2017 in Sachen C-433/16 hat der Europäische Gerichtshof („EuGH“) zu Fragen zur gerichtlichen Zuständigkeit in einem Verfahren zur Feststellung der Nichtverletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters Stellung genommen.
Hintergrund des Vorabentscheidungsverfahrens ist ein Streit zwischen dem Autohersteller BMW und dem italienischen Automobilteilehersteller Acacia. Acacia vertreibt Nachbauten von Leichtmetallfelgen, die für BMW durch Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt sind. Acacia ist der Auffassung, der Vertrieb dieser Ersatzteile sei durch die „Reparaturklausel“ in Artikel 110 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung („GGVO“) gedeckt. Um eine gerichtliche Feststellung der Nichtverletzung zu erreichen, reichte Acacia vor dem italienischen Gericht in Neapel unter anderem Klage wegen Feststellung der Nichtverletzung der Gemeinschaftsgeschmacksmuster von BMW ein. BMW nahm in dem Verfahren Stellung und erhob zusammen mit weiteren Einreden in ihrem ersten Schriftsatz aber auch die Einrede der mangelnden Zuständigkeit der italienischen Gerichte. Das italienische Kassationsgericht setzte das Verfahren schließlich zunächst aus und legte verschiedene Fragen mit Blick auf die gerichtliche Zuständigkeit dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Insbesondere wollte das Gericht wissen,
- ob es als Zustimmung zur gerichtlichen Zuständigkeit im Sinne des Art. 24 der Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („EuGVVO“) angesehen werden könne, wenn die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen nationalen Gerichts vorab, aber nachrangig gegenüber anderen, ebenfalls vorab zu entscheidenden Einreden zum Verfahren und jedenfalls vor den Fragen zur Sache erhoben wird,
- ob Art. 82 GGVO so auszulegen ist, dass Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern nach Art. 81 Buchst. b GGVO dann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat, nur vor den Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichten dieses Mitgliedstaats erhoben werden können,
- und ob die die in Art. 5 Nr. 3 der EuGVVO aufgestellte Zuständigkeitsregel auf Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern nach Art. 81 Buchst. b der GGVO Anwendung findet.
Der EuGH stellt zunächst klar, dass allein der Umstand, dass BMW in ihrem ersten Verteidigungsschriftsatz nicht nur die Zuständigkeit dieses Gerichts, sondern auch die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Klageschrift und der Vollmacht des Rechtsbeistands von Acacia beanstandet hat, nichts daran ändert, dass BMW die Zuständigkeit des Gerichts in diesem Verteidigungsschriftsatz ausdrücklich und unzweideutig in Abrede gestellt hat. Die Zuständigkeit kann sich aus Art. 24 EuGVVO aber nur dann ergeben, wenn die Einlassung des Beklagten als stillschweigende Anerkennung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und somit als Vereinbarung von dessen Zuständigkeit betrachtet werden kann. Dies sei jedoch gerade nicht der Fall, wenn der Beklagte eine Einrede der Unzuständigkeit erhebt und auf diese Weise seinen Willen zum Ausdruck bringt, die Zuständigkeit dieses Gerichts nicht anzuerkennen.
Mit Blick auf das Verhältnis der Zuständigkeitsregelungen in der EuGVVO zu der GGVO stellt das Gericht klar, dass diese grundsätzlich anwendbar seien. Allerdings sei für Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern, falls das nationale Recht diese zulässt, in Art. 81 GGVO eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte bestimmt. Entsprechend schließe die Vorschrift in Art. 79 Abs. 3 GGVO auch die Anwendung bestimmter Vorschriften der EuGVVO für die in Artikel 81 genannten Klagen und Widerklagen aus. Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern nach Art. 81 Buchst. b GGVO seien daher dann, wenn der Beklagte seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der EU hat, vor den Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichten dieses Mitgliedstaats zu erheben sind, es sei denn, es liegt eine Vereinbarung über die Zuständigkeit im Sinne von Art. 23 oder Art. 24 der EuGVVO vor.
Auch die in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO aufgestellte Zuständigkeitsregel fände daher auf Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern nach dem expliziten Wortlaut von Art. 81 Buchst. b GGVO keine Anwendung.