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Zum Benutzungsnachweis vor dem HABM

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) bejahte in seiner Entscheidung vom 4. Juni 2015 in Sachen T-254/13, dass die Beschwerdekammer ihr durch Art. 76 (2) GMV eingeräumtes Ermessen zur Berücksichtigung von verspätet eingereichten Benutzungsunterlagen rechtmäßig ausgeübt hatte, und dies trotz nicht geringem Umfangs der weiteren Unterlagen.

Im Zentrum des Verfahrens vor dem EuG standen neben der Frage, ob die Beschwerdekammer ihr durch Art. 76 (2) Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) eingeräumtes Ermessen bei der Berücksichtigung von weiterem, erstmals vor der Beschwerdekammer eingereichtem Benutzungsnachweis rechtmäßig ausgeübt hatte, Fragen zu den Grenzen der Warenähnlichkeit.

Zum Verfahren vor dem HABM

Die Antragstellerin hatte die Erklärung der Nichtigkeit der im Jahr 2005 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) für verschiedene Werkzeuge, Materialien und Baumaschinen in den Klassen 7 und 8 sowie Dienstleistungen der Klasse 39 angemeldete Gemeinschaftsmarke „Stayer“ (Wort/Bild) beantragt. Gestützt hatte sie diesen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit auf Verwechslungsgefahr mit ihrer älteren, im Jahr 2001 mit Schutz in Deutschland für Waren der Klassen 3, 8 und 16 eingetragenen internationalen Registrierung für „Stayer“ (Wort).

Die Löschungsabteilung des Amtes hatte den Löschungsantrag zurückgewiesen, da das Amt die auf die zulässige Einrede der mangelnden Benutzung eingereichten Benutzungsunterlagen nicht für ausreichend hielt, um eine rechtserhaltende Benutzung der älteren Wortmarke „Stayer“ nachzuweisen. Vor der Beschwerdekammer reichte die Antragstellerin weitere Benutzungsunterlagen ein, was dazu führte, dass die Beschwerdekammer die erstinstanzliche Entscheidung aufhob und dem Löschungsantrag partiell, nämlich mit Blick auf Waren der Klassen 7 und 8, stattgab.

Die Entscheidung des EuG

Die gegen diese Entscheidung eingereichte Klage beim EuG hatte teilweise Erfolg. Zwar bestätigte das EuG die Beurteilung der Beschwerdekammer, dass die Antragstellerin die Benutzung ihrer älteren Wortmarke „Stayer“ für „Glättekellen“ hinreichend nachgewiesen hatte, hob aber die Entscheidung zum Teil aufgrund einer nicht vorhandenen Warenähnlichkeit und somit auch fehlenden Verwechslungsgefahr auf.

Insbesondere der hinreichende Benutzungsnachweis war zwischen den Parteien strittig, weil die Antragstellerin vor der Löschungsabteilung des HABM zunächst nur 5 Rechnungen aus dem relevanten Zeitraum, einige undatierte Bilder, einen Katalog, Ausdrucke von einer Internetseite sowie eine Erklärung aus dem Jahr 2004 eingereicht hatte. Nachdem sie mit ihrem Löschungsantrag in erster Instanz gescheitert war, schob sie mit ihrer Beschwerdebegründung weitere Benutzungsunterlagen, nämlich insbesondere 6 weitere Rechnungen, von denen 5 aus dem relevanten Zeitraum stammten, nach.

Die Beschwerdekammer hatte angenommen, dass die erstinstanzlich eingereichten Rechnungen zusammen mit den Bildern eine Benutzung, zumindest im geringen Umfang, stützten. Die übrigen erstinstanzlich eingereichten Unterlagen hielt sie hingegen für irrelevant. Die berücksichtigungsfähigen erstinstanzlich eingereichten Benutzungsunterlagen würden zusammen mit 5 von 6 weiteren, erst vor der Beschwerdekammer eingereichten Rechnungen den Nachweis einer hinreichenden Benutzung der älteren Marke für „Glättekellen“ erbringen.

Die Antragsgegnerin sah in der Berücksichtigung der erst später eingereichten Unterlagen eine Verletzung des Art. 76 (2) GMV, zumal die Anzahl und der Umfang der Rechnungen die erstinstanzlich eingereichten Rechnungen überstieg und somit nicht als reine Ergänzung der bereits eingereichten Unterlagen angesehen werden könnte.

Das EuG verneinte eine Verletzung des Art. 76 (2) GMV durch das HABM. Das Gericht bestätigte in diesem Zusammenhang zunächst noch einmal, dass der Art. 76 (2) GMV dem Amt einen weiten Ermessenspielraum bei der Berücksichtigung nicht fristgerecht eingereichter Fakten und Beweismittel einräumt. Zudem verwies es darauf, dass der Nichtigkeitsantrag gemäß Regel 40 (6) der Durchführungsverordnung zur GMV nur dann zurückgewiesen werden könne, wenn während der durch das Amt gesetzten Frist entweder gar keine oder aber nur erkennbar irrelevante Unterlagen eingereicht würden. Würden hingegen innerhalb der gesetzten Frist geeignete Unterlagen eingereicht, gehe das Verfahren seinen weiteren Gang. Würden somit eingangs relevante Benutzungsunterlagen eingereicht, könnten im weiteren Verlauf der Verfahren vor dem Amtes eingereichte Unterlagen dann berücksichtigt werden, wenn durch sie die ursprünglich eingereichten Benutzungsunterlagen lediglich ergänzt würden. Das EuG bestätigte, dass die 5 weiteren eingereichten relevanten Rechnungen, auch wenn sie mehr verkaufte Produkte umfassten, als Ergänzung des ursprünglich eingereichten Benutzungsnachweises angesehen werden könnten. Zum einen sei die Anzahl der nachgereichten Rechnungen genauso hoch wie die der bereits fristgerecht eingereichten Rechnungen, zum anderen sei es logisch, dass die Rechnungen einen größeren Umfang hatten, da die Löschungsabteilung die fristgerecht eingereichten Unterlagen insofern für nicht ausreichend hielt. Auch gäbe es keine Pflicht zur Erläuterung, warum die Antragstellerin diese Unterlagen nicht bereits vor der Löschungsabteilung eingereicht hatte.

Im Hinblick auf die Warenähnlichkeit bestätigte das Gericht zwar die hochgradige Ähnlichkeit von „Glättekellen“ mit „Geräten und Werkzeugen“ in der Klasse 7. Die restlichen Waren der Klassen 7 und 8 hielt das Gericht anders als die Beschwerdekammer jedoch für unähnlich und hob die Entscheidung insofern auf. Es stellte klar, dass auch der Aspekt der Komplementarität nicht dazu führt, dass alle Waren, die nebeneinander auf einer Baustelle benutzt werden können, auch im markenrechtlichen Sinne ähnlich sind.

Fazit

Die Entscheidung zeigt, dass die Vorschrift des Art. 76 (2) GMV auch das Nachschieben von Benutzungsnachweisen in einem nicht unerheblichen Umfang vor der Beschwerdekammer ermöglicht. Nichtsdestotrotz ist weiterhin zu empfehlen, den Benutzungsnachweis in der ursprünglich durch das Amt gesetzten Frist möglichst umfassend zu führen.

Gute Vorbereitung des Nichtigkeitsantrags spart Ärger

Die 3. Beschwerdekammer hat am 12.02.2015 in Sachen R 2301/2012 über eine Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Nichtigkeitsantrags gegen ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster entschieden. Auch vor der Beschwerdekammer hatte der auf einen Mangel an Neuheit und Eigenart gestützte Antrag keinen Erfolg.

Mit ihrer Beschwerde konnte die Beschwerdeführerin nicht die Löschung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters wegen Mangels an Neuheit und Eigenart erlangen. Ärgerlich für die Beschwerdeführerin war, dass bereits von den ursprünglich mit dem Nichtigkeitsantrag geltend gemachten Mustern nur eins berücksichtigt wurde und dass auch keine Berücksichtigung der weiteren erst mit der Beschwerde eingereichten Geschmacksmuster erfolgen konnte.

Die Beschwerdekammer bestätigte die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung, nach welcher dem angegriffenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster die erforderliche Neuheit und Eigenart nicht abgesprochen werden konnte.

Das angegriffene Gemeinschaftsgeschmacksmuster beanspruchte Schutz für einen besonders gestalteten Tisch mit zwei massiven quadratischen Tischbeinen und einer im Gegensatz dazu recht filigranen Tischplatte. Der Tisch zeichnete sich darüber hinaus durch einen recht großen Überhang der Tischplatte über die Tischbeine hinweg aus.

Die Beschwerdeführerin hatte mit ihrem Nichtigkeitsantrag Fotos und Screenshots mehrerer aus ihrer Sicht der Neuheit bzw. Eigenart des angegriffenen Gemeinschafsgeschmacksmusters entgegenstehenden Geschmacksmuster eingereicht. Von den auf den Fotos und Screenshots erkennbaren Tischmustern konnte jedoch nur eins berücksichtigt werden, da für die übrigen nicht belegt werden konnte, dass diese bereits vor dem Anmeldetag des Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.

Auch konnte die Beschwerdekammer nicht erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegte Abbildungen weiterer 5 Geschmacksmuster berücksichtigen. Artikel 63 Absatz 2 GMV erlaube es der Beschwerdekammer nach eigenem Ermessen zwar, Beweismittel zu berücksichtigen, die im direkten Zusammenhang mit bereits eingereichten Beweismitteln stünden. Diese Vorschrift erlaube es jedoch nicht, den Gegenstand des Verfahrens zu erweitern. Der ursprüngliche Antrag sei nur auf andere Muster gestützt worden und die weiteren Abbildungen von Mustern stünden hiermit in keinerlei Zusammenhang und könnten daher nicht berücksichtigt werden.

Das verbleibende Muster, was berücksichtigt werden konnte, war auch nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht geeignet, die Neuheit und Eigenart des angegriffenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters in Frage zu stellen. Aufgrund der Unterschiede zwischen den Mustern, insbesondere der unterschiedlichen Gestaltung und Anordnung der Tischbeine, der unterschiedlichen Dicke der Tischplatte und der unterschiedlichen Farbgebung, weiche der Gesamteindruck des angegriffenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters stark von dem des älteren Musters ab. Entsprechend sei die erforderliche Eigenart und somit auch Neuheit gegeben.